Predigt zur Kirchweih in Füttersee am 10.10.2021

Predigttext: Jesaja 38, 1-20 i.A

Zu der Zeit wurde Hiskia todkrank. Und der Prophet Jesaja, der Sohn des Amoz, kam zu ihm und sprach zu ihm: So spricht der Herr: Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht am Leben bleiben. Da wandte Hiskia sein Angesicht zur Wand und betete zum Herrn und sprach: Ach, Herr, gedenke doch, wie ich vor dir in Treue und ungeteilten Herzens gewandelt bin und getan habe, was dir gefällt. Und Hiskia weinte sehr. Da geschah das Wort des Herrn zu Jesaja: Geh hin und sage Hiskia: So spricht der Herr, der Gott deines Vaters David: Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Siehe, ich will deinen Tagen noch fünfzehn Jahre zulegen und will dich samt dieser Stadterretten aus der Hand des Königs von Assyrien und will diese Stadt beschirmen. Und dies ist das Lied Hiskias, des Königs von Juda, als er krank gewesen und von seiner Krankheit gesundgeworden war: Ich sprach: In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren, zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre... Meine Hütte ist abgebrochen und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt. Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden. Tag und Nacht gibst du mich preis; bis zum Morgen schreie ich um Hilfe; aber er zerbricht mir alle meine Knochen wie ein Löwe; Tag und Nacht gibst du mich preis. Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube. Meine Augen sehen verlangend nach oben: Herr, ich leide Not, tritt für mich ein! Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; Der HERR hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des HERRN!

Predigt zur Kirchweih in Füttersee am 10.102021 (von Dekan i. R. Hanspeter Kern)

Liebe Gemeinde, Kirchweih – das ist jedes Jahr wieder neu ein Festtag, mit gutem Essen, gegenseitigen Besuchen, mit Festzelt und in größeren Orten mit Festbetrieb, wo man sich trifft und miteinander feiert. Im Kirchweih-Gottesdienst erinnert man sich an das Geschenk der schönen Kirche im Ort. Wie mag der Bau damals von statten gegangen sein? Ab 1317, als Mönche des Zisterzienserklosters drüben in Ebrach in den Besitz des Dorfes kamen und bald mit dem Bau einer Kirche begannen, vermutlich mit vielen Helfern, und Unterstützern, mit großer Begeisterung, Beharrlichkeit und das alles gegründet in einer tiefen Frömmigkeit? Wir können es heute nur vermuten aufgrund der Daten, die wir haben. Die Kirche war in christlich geprägten Gegenden über viele Jahrhunderte überall das Zentrum eines Ortes, meist schon von weitem sichtbar durch einen großen Kirchturm. In München, so war kürzlich zu lesen, war es bisher nicht gestattet, in der Nähe der Frauenkirche Häuser zu bauen, die höher sind als der Kirchturm dort. Erst in jüngster Zeit werden solche Grundsätze aufgeweicht, weil die hohen qm-Preise eine Flachbebauung nicht mehr rechtfertigen. Eine Kirche als sichtbares Zentrum eines Ortes, das sollte ausdrücken, dass der Glaube im Zentrum des Denkens, Entscheidens und Handelns steht. Die Laurentiuskirche hier ist seit je ein Ort des Glaubens, seit 1527, als erstmals ein protestantischer Pfarrer hier predigte, Ort des lutherischen Glaubens. Hier wurden und werden Kinder und auch Ältere getauft, hier werden fröhliche Anlässe gefeiert (denken wir an Weihnachten), hier wird für Verstorbene gebetet. Hier feiert die Gemeinde regelmäßig Gottesdienste, die den Glauben und das Vertrauen auf Gott stärken und Hilfe zum Leben schenken Zwischendurch gab‘s sogar Platznot, so musste um 1500 und dann noch einmal ab 1709 die Kirche erweitert werden. Der Blick auf die Geschichte kann helfen, die eigenen Anliegen in größerem geschichtlichen Zusammenhang zu sehen: über die Jahrhunderte traf sich die Gemeinde zum Gebet hier, in Friedenszeiten und in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen, in Krankheits-und Pestzeiten, im 3. Reich und in Zeiten des Wohlstands. Dankgottesdienste und Bittgottesdienste wurden gehalten. Wenn man sich das vor Augen führt, dann kann man nur danken. Aber auch das andere gehört dazu, wenn wir Kirchweih feiern: das Nachdenken über Kirche als Gemeinde Jesu, das Nachdenken über das, was Kirche ausmacht und prägt.

Unser heutiges Predigtwort greift hier ein Thema auf, das Menschen immer wieder bewegt. Es ist ein Lied des Königs Hiskia und handelt von etwas Alltäglichem: von Krankheit und der Klage des Königs. Und das Besondere dabei: es endet nicht mit einem Hilferuf in Krankheit, sondern wird zu einem Lob und Dank nach erfahrener Gesundung. Besonders ist das, weil bei uns in der Regel die Krankheit zwar intensiv wahrgenommen wird, das Gesund werden aber nehmen wir fast nicht wahr, das ist dann ganz selbstverständlich. Vielleicht merken wir dann irgendwann später: da tut ja gar nichts mehr weh. Das ist ja wieder gut geworden. Dass es uns gut geht, dass wir haben, was wir brauchen, dass wir behütet und beschützt heimkommen, dass die Ernte gut verlaufen ist und die Kinder wohl geraten: wer verspürt hier noch das Bedürfnis, seinen Dank auszudrücken. Lieber klagen wir über das, was noch nicht so perfekt ist. Im Klagen, so sagt man, sind wir Deutschen Weltmeister. Oft ist es ein Klagen auf hohem Niveau, wie wir scherzhaft zugeben. Nicht so Hiskia. Er klagt herzzerreißend, aber er bleibt nicht beim Klagen stehen. Hiskia war als König von Juda, dem Südreich erfolgreich, er stand vermutlich in der Mitte des Lebens. Vieles ist ihm gelungen, er hatte es geschafft, dass feindliche Truppen die Stadt Jerusalem belagern aber nicht einnehmen konnten, als Krisenkönig sozusagen hatte er sich bewährt. Statt zu spalten fand er gute Wege für sein Volk, statt Lüge und Unrecht suchte er das Recht und genoss daher großes Vertrauen im Volk. Der Tempel in Jerusalem, den Salomo einst bauen ließ, gehörte zu seinem Reich. David war sein Vorbild. Hiskia lag daran, dass Gott verehrt wurde. Er war erfolgreicher Staatsmann und treuer Hüter der Religion. Aber dann wurde er sterbenskrank. Auch gute Herrscher haben das Glück nicht gepachtet. Und auch Glaubende sind nicht nur stark, sondern auch anfällig für Krankheit und Unglück. Und nicht selten erleben sie: Zu Gottes Weg mit uns gehören auch Krankheit und Verzweiflung. Hiskia findet starke, bedrückende Bilder in seiner Not: Wie einem Nomaden, so sagt er, ist mir das Zelt über dem Kopf zerrissen und er liegt da ohne Schutz. Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber. Für Hiskia ist klar, dass Gott der Urheber seines Leidens ist. Und so ist Gott auch der Adressat seiner Klage: Er hat‘s getan! Gott trägt die Schuld! Er schneidet meinen Lebensfaden ab! Er zerbricht mir die Knochen! Da kommt der Prophet, Jesaja ist es, zu ihm und rät ihm ganz nüchtern: „bestell dein Haus, denn du wirst sterben“. Das wird nichts mehr.

Das Haus bestellen? Klären, was noch zu klären wäre, erledigen, was immer wieder hinausgeschoben wurde? Schüler werden im Religionsunterricht manchmal mit der Frage konfrontiert: Was würdest du tun, wenn du noch einen Tag zu leben hättest? Bestell dein Haus, sagt der Prophet. Nun, so viele gab es nicht, mit denen Hiskia noch hätte Frieden schließen müssen, er war ein rechtschaffener Mensch. Nur mit Gott war er nicht fertig. Mit ihm musste er reden. Wer schon mal eine schlechte Diagnose und eine ungünstige Prognose erhalten hat, weiß, wie einem da zumute ist. Panik, Angst, Tränen und Verzweiflung stellen sich ein. So auch bei Hiskia. Er wandte sein Angesicht zur Wand und „betete zum Herrn“. Und er weinte sehr, so lesen wir. Der König - ganz menschlich. Auch ein König weint. Hiskia betet: Herr, lass mich wieder gesundwerden und leben! Gedenke Herr, wie ich vor dir in Treue und mit rechtschaffenem Herzen gewandelt bin und habe getan, was dir gefallen hat! Und das Wunderbare geschieht: Gott lässt sich erweichen. Siehe, ich will deinen Tagen noch 15 Jahre zulegen. Hiskias Klagelied wendet sich zu einem Danklied. Mir war bange, aber du hast dich meiner Seele angenommen. Gott ist da, wenn es uns gut geht und er ist uns nahe, wenn wir um Hilfe schreien. Das darf Hiskia erfahren. Und wir? wir haben keine Garantie für weitere 15 Jahre, aber auch für uns gilt: Jeder Tag ist ein Geschenk. Hiskia ist nicht durch seine politischen Leistungen in die Geschichte eingegangen, viel mehr durch seinen Glauben, sein Vertrauen, und seinen Dank, den er nach seiner Genesung gezeigt hat. In Gebetbüchern konnten die Menschen später seine Worte lesen und für sich mitbeten. Ich denke mir das manchmal, wenn Menschen in Streit leben und sich gegenseitig das Leben schwermachen: Das Leben ist einmalig und kann schnell zu Ende sein. Und anders als Hiskia wissen wir nicht, wie lange es währt. Wir sollten es nutzen und in Frieden leben. Sollten das Leben so gestalten, dass wir auch später ja dazu sagen können. Wir sollten uns fragen: Wie komme ich zu mehr Frieden, zu mehr Lebendigkeit, zu mehr Dankbarkeit, mehr Lebensfreude?

Wie kann ich meiner Berufung gemäß leben, und worin liegt überhaupt meine Berufung? Jesus hat uns berufen, Licht der Welt, Salz der Erde zu sein, und in der Bibel werden die glücklich gepriesen, die Wege ebnen, Brücken bauen, die verbinden, wo Menschen getrennt sind, die andere entschuldigen und Gutes reden... Ist das nicht unsere Berufung, die Welt heller, wärmer zu machen, menschlicher und friedvoller, Leid zu lindern, Not zu beseitigen? Welche Spuren wollen wir einmal hinterlassen? Wir sind gehalten in Gottes Hand, das macht frei, und gelassen und lässt uns sinnvoll und in Liebe leben. Wir sind gehalten, in Gottes Hand, das will die Kirche hier durch ihr Dasein den Menschen sagen. Wir sind gehalten, hier und dort, im Leben und im Sterben. Darum darf beides seinen Platz haben: das Dienen, Arbeiten, Helfen und Teilen, und auch das Singen und Spielen, und fröhlich sein, solange wir leben. Die Kirche hier steht aus sichtbarer Ausdruck für eine solche Lebenshaltung, einen solchen Glauben. Der Glaube, der hier verkündigt wird, will uns helfen, dass wir lebensfroh und voll Hoffnung leben und wenn es soweit ist, auch voll Hoffnung heimgehn zum Vater. Hiskia hat den Dank nicht vergessen. Schenke Gott, dass auch wir, die wir so unendlich oft Gottes Hilfe erfahren, dankbar leben, fröhlich, gelassen und in Treue zu unserem Gott. Und mit Hiskia bekennen: „Der HERR hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des HERRN!“ Amen.