Beerdigungsrede für Graf Lutz am 25.6.1722

Vorbemerkung: Am 22.6.1772 ist Ludwig Friedrich Graf zu Castell-Remlingen im Casteller Schloss im Alter von 65 Jahren verstorben. Historisch ist er die für Rehweiler bedeutsamste Persönlichkeit. Anlässlich seines 250. Todestages veröffentlichen wir hier die Abschrift der Beerdigungspredigt, die als Manuskript im Fürstlich Castell’sches Archiv (Nr. I c 9 – 100) vorhanden ist. Sie ist ein Beispiel für eine barocke Predigt, die in langen, verschachtelten Sätzen um ein Bibelwort kreist. Wer sich darauf einlässt, begegnet einem frommen Prediger, der auf seine Weise die Witwe des Grafen und alle Trauergäste trösten und ihnen Hoffnung aus dem Glauben vermitteln wollte.

Einsegnungsrede bei dem Grabe des weiland Grafen und Herrn Ludwig Friedrich zu Castell.

25. Juni 1772

Von Hofprediger etc. Georg Ernst Engelhard

Manuskript

Einsegnungsrede bei dem Grabe des weiland Grafen und Herrn Ludwig Friedrich Grafen und Herrn zu Castell, des hochgräflichen Hauses zu Castell Senioris und dessen Lehensherrlichkeiten Administratoris des Hochstifts Würzburgs Obererbschenkens

welcher Montags

den 22. Juni 1772, Nachmittag 4 Uhr in dem Herrn zum größten Leidwesen des Hochgräflichen Hauses Castell und aller Dero Diener und Unterthanen entschlafen und Donnerstag darauf als den 25. Juni in der Hochgräflichen Gruft Nachts nach 9 Uhr beigesetzt worden.

In tiefer Trauer und Betrübnis entworfen und gehalten von Georg Ernst Engelhard, Hofprediger, ConsistorialRath und Pfarrer.

Proverbia (=Sprüche) 18,10: Der Name des Herrn ist ein festes Schloss, der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt.

Ludwig Friedrich Graf zu Castell-Remlingen, um 1750

Hochansehnliche Trauerversammlung! Allerseits hochgeehrte und hochgeschätzte Anwesende!

Bei aller Veränderung des Lebens, bei allen Trübsalen, bei Feinden, bei Widerwärtigkeiten, bei Entreißungen alles dessen worauf wir sonst unsere Hoffnung gebaut, woran wir unser Vergnügen gehabt haben, dennoch in seinem Gemüte getrost und überzeugt sein, man sei in Sicherheit, in lebendig wissen, dass alle diese Veränderungen, sie mögen Trübsal heißen, oder noch einen härteren Namen haben, unser Bestes befördern; das ist gewiss die allerglücklichste Gemütsverfasstheit, welche ein Sterblicher erlangen kann, welche aber niemand als durch göttliche Gnade erlanget. Alle Sterbliche, welche die Veränderungen dieses Lebens alle, ein jeder in seinem Maße erfahren müssen, sehnen sich nach einer solchen Gemütsverfassung, alle wünschen von Furcht, Gram, Kummer, von betrübten Aussichten in künftige Zeiten befreiet und in Sicherheit zu sein und nur einige wenige glückliche Sterbliche, nur rechte Gläubige, erhalten dieselbe durch Gottes Gnade.

Lasset Sturmwetter der Trübsal über bloß natürliche Menschen kommen, o wie furchtsam sind sie, wie erzittern, wie erbeben sie? Lasst sie nur ein Übel vorhersehen, lasset sie sich dasselbe als unvermeidlich vorstellen, so dass sie denken, sie können demselben nicht entgehen, welch ein Herzeleid entsteht in ihrer Brust, welch ein Zagen in ihrem Verhalten, weil sie nicht wissen, wo sie hinfliehen, wo sie Sicherheit finden sollen! Weit anders macht es der Christ, der weiß eine sichere Festung, er weiß einen Ort der Sicherheit, er weiß aus allen Trübsalen, nicht nur errettet, sondern auch mit Ruhm und Ehre gekrönet, herauszukommen. Er fliehet mit Salomo dem weißen König zu dem Namen des Herrn und wird dadurch nicht nur beschirmet, sondern auch erhöhet.

Bei einer so betrübten Begebenheit und Versammlung wie gegenwärtige ist, Hochansehnliche Trauerversammlung, ist uns die Zeit zu kurz bestimmt als dass wir diesen herrlichen Ausspruch heiliger Schrift weitläufiger erklären können, allein er braucht auch bei wahren Christen keiner weiteren Erklärung. Jeder Christ weiß, dass unter dem Namen des Herrn der Herr, der Himmel und Erde gemacht hat, der Gott und Vater welcher uns erschaffen, erlöst und geheiligt hat, selbst verstanden werde. Denn Gottes Name kann nichts anderes als Gott selbst sein und wie er sich uns geoffenbart hat. Wenn also Salomo sagt: Der Name des Herrn ist ein festes Schloss, so sagt er nichts anders als der Herr, der Allerhöchste, der große Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, der Gott, welcher uns erschaffen, erlöst und geheiligt hat, der ist unsere Beschirmung. Bei ihm finden wir den Schutz, welchen Menschen in den festen Schlössern der Erde, wo Könige wohnen, wo starke Besatzungen liegen, zu finden vermeinen, den Schutz finden wir bei Gott, der in dem Himmel wohnet, wenn wir uns unter denselben begeben, wenn wir in Trübsal bei ihm unsere Errettung suchen, wenn wir zu ihm fliehen. So wie in ein festes Schloss eines mächtigen Königes, jeder, welchen der König aufgenommen hat, Schutz und Beschirmung vor allen Feinden erlanget, so glücklich und gesichert ist der, welcher zu Gott seine Zuflucht nimmt, zu dem Namen des Herrn läuft. Allein was müssen wir an uns haben, dass uns der König und Herr Himmels und der Erden in seinen gnädigen Schutz nehmen möge? Kein Gerechtigkeit liebender König nimmt zu bestrafen die Missetäter in sein Schloss auf, er beschützet sie nicht wider die sie verfolgende Gerechtigkeit. Wollen wir bei Gott Hilfe suchen, zu dem Namen des Herrn als einem festen Schlosse unsere Zuflucht nehmen, so müssen wir bereits gerechtfertigte, so müssen wir frei gesprochen sein vor seinem Thron, vor welchem kein Lebendiger gerecht ist. Dieser Lossprechung um Christi willen, dessen Verdienst wie im Glauben ergriffen haben, müssen wir versichert sein, als denn erst können wir getrost zu Gott als einen lieben Vater gehen, zu seinem Namen fliehen, zu ihm beten, ihn seine Verheißungen und große Taten vorhalten, als dann nimmt er uns in seinen Schutz und Schirm; alsdann werden wir nicht nur wider alle Feinde und in allen Widerwärtigkeiten beschützet, sondern wir werden auch, wie die Worte eigentlich lauten, erhöhet. Das ist, wir erlangen dadurch, dass wir als Gerechte zu dem Namen des Herrn fliehen, nicht nur Schutz und Schirm, sondern auch Ehre und Ruhm. Wie unglücklich wären wir, wenn wir dieses nicht wüssten und noch unglücklicher, wenn wir es wüssten und nicht glaubten! Da in dieser Welt Sturmwetter der Trübsal uns auf allen Seiten umgeben, wo wollten wir hinfliehen, wenn wir nicht den Herrn wüssten, der Himmel und Erde gemacht hat, wenn wir nicht seinen Namen kenneten und durch Anrufung desselben Rettung erhofften. Angst und Not umgeben uns zwar hierunten auf Erden, aber der Name des Herrn bleibt uns als ein festes Schloss der Sicherheit unbeweglich stehen in der Höhe.

Salomo als ein weiser und großer König hat dieses einige Mittel zur Beruhigung unseres Gemütes bei den Veränderungen und trübseligen Stunden des menschlichen Lebens nicht bloß seinen Dienern und Untertanen kund gemacht, sondern der Herr hat auch durch dessen Mund und Feder uns Zuflucht bei seinem Namen zu suchen befohlen, und hat uns, wenn wir Gerechte sind, Schutz, Schirm und Erhöhung verheißen. Ach dass wir nur alle dieses einige Mittel zur Beruhigung unsers Gemüts bei den Veränderungen dieses Lebens, bei den traurigen Auftritten dieser Zeit gebrauchen. O dass wir alle als Gerechte in aller Not zu dem Namen des Herrn fliehen möchten. Haben wir jemalen Ursache gehabt uns nach einem Mittel der Sicherheit umzusehen, so haben wir es in diesen Tagen, so haben wir es heute an dem Tage der Betrübnis und tiefsten Trauer. Denn wir wissen und sehen alle, Hochansehnliche Trauerversammlung, die schmerzhafte Veränderung, den großen Trauerfall, welchen das hochgräfliche Haus Castell, den großen Verlust, welchen alle getreue Diener und Untertanen des hochgräflichen Hauses erlitten. Hier vor uns stehet der entseelte Leichnam des weiland Hochgeborenen Grafen und Herrn, Herrn Ludwig Friedrich Grafen und Herrn zu Castell, des Hochgräflichen Hauses Castell Senioris, dessen Lehensherrlichkeiten Administratoris Obererbschenkens des Erzstift Würzburgs, welche der Herr der Allerhöchste, nach einer beschwerlichen Krankheit zuvor aus den Leiden dieser Zeit, uns aber nur allzubald entrissen, sie in die frohe Ewigkeit der Seele nach, das ganze Hochgräfliche Haus Castell aber, ja uns alle, in die tiefste Trauer und Betrübnis versetzet hat. Wie sollen wir uns trösten? Wie können sich die durch diesen hohen Trauerfall tief gebeugte Hochgräfliche Witwe, wie können wir uns trösten? Wie können wir diese Veränderung mit standhaftem Gemüte ertragen? Wir werden es freilich durch bloß menschliche Mittel nicht können. Der Verlust, welchen wir erlitten, ist zu groß, der Schmerz über den zwar lange vorher befürchteten, aber doch zu bald, zu unvermutet erfolgten Hintritt unsers Hochseeligen Grafen und Herrns ist zu heftig, als dass menschliche Trostgründe denselben stillen könnten? Wir können keinen anderen Trostgrund gebrauchen als dass wir den Befehl Salomos folgen, zu den Namen des Herrn auch in dieser Not fliehen, um dadurch Beschirmung und Erhöhung zu erlangen.

Befehle welche ein sterbender Vater seinen über seinen Abschied weinenden Kindern hinterlässt, werden von gehorsamen Kindern am ersten befolget. Wie wenn unser seelig verstorbener Landesvater und Herr uns noch einen Befehl vor Ihro Abschied aus diesem Leben, wie wenn Sie [Der Pluralis Majestatis, „Mehrzahl der Hoheit“, wird verwendet, um eine Person, z.B. einen Herrscher, las besonders mächtig oder würdig auszuzeichnen. Ausdrücke, die im Pluralis Majestatis stehen, werden immer groß geschrieben.] uns ein Mittel zur Glückseeligkeit, zur Beruhigung unsers Gemüts zur Ertragung der plötzlichen Veränderung hinterlassen hätten, würden wir nicht dasselbe gerne und mit Freuden annehmen? Und wenn wir dieses zu unserm Troste zu tun entschlossen sind, haben wir nicht dero gnädigen Befehl an uns in dero Wahlspruch hinterlassen? Und welcher ist es? Kein anderer als der, mit welchen wir zuerst den Mund bei dem Grabe und vor dem Sarge des entseelten Leichnams unsers hochverstorbenen Grafen und Herrn zu öftern Nutz genug gehabt haben: Der Name des Herrn ist ein festes Schloss: Nomen Domini Castellum. Dieser Wahlspruch ist ein Befehl unseres teuersten Landesvaters Grafens und Herrns an uns, wodurch sie uns alle, hohen und niedrigen, kurz allen, welche über dero Hintritt betrübt und bekümmert sind zurufen: Seid Gerechte, rufet an den Namen des Herrn, glaubt an ihn, fliehet zu demselben, ihr werdet beschirmet, ihr werdet erhöhet werden. Wenn liebenswürdige, wenn sorgfältige Väter diese Welt verlassen wollen und noch also für ihre Kinder sorgen, dass sie dieselben getreuen und bewährten Freunden empfehlen oder Ihnen die Mittel zur wahren Glückseeligkeit und zur Beruhigung ihres Gemütes weisen, die Mittel, wodurch sie selbst ihr Gemüt bei allen Anliegen(heiten) beruhigt haben, wie viel Dank, wie viel willigen Gehorsam sind wir solchen getreuen Vätern schuldig? Unser  nunmehr hochseeliger Landesvater und Herr haben uns allen in dero Wahlspruch „Nomen Domini Castellum“, der Name des Herrn ist ein festes Schloss, zu dem besten Freund im Himmel gewiesen und das einig Mittel der wahren Gemütsberuhigung hinterlassen, wie viel Dank sind wir hochderosolchen ruhmvollen Andenken schuldig.

Hochdieselben hatten sich diesen ausnehmend schönen Spruch Salomos zu ihrem Wahlspruch gewiss vor allen deswegen erwählet, um bei dero Namen „Graf und Herr zu Castell“ sich allezeit des Herrn zu erinnern, der Ihnen von Jugend auf ein Castell, ein festes Schloss gewesen war, an den Herrn, bei welchen sie gerechtfertigt, als ein Gerechter, Schutz und Erhöhung, Sicherheit, Ehre und Ruhm gefunden hatten.

O dürften wir, wenn es nicht wider Dero ausdrückliches Verbot wäre, dero Lebenslauf nur kürzlich durchgehen, wir würden aus allen Zügen dero mit Ruhm zurückgelegten Lebenstage ersehen: dass der Name des Herrn Hochdenenselben allezeit ein festes Schloss gewesen, dass Sie in Ihrem ganzen Leben dahin zu laufen sich bestrebt haben, und dass Sie im Leben und Tode Beschirmung und Erhöhung bei und in demselben gefunden haben.

Doch es haben Hochdieselben nur Lobeserhebungen, nicht aber das dankbare Andenken an den göttlichen Schutz, welchen Hochdieselben in allen Teilen Ihres ruhmvollen Lebens erfahren, verboten. Es wird uns daher dennoch erlaubt sein, nur einige Züge desselben zu beschauen, damit wir daraus erkennen, wie gut es sei auf den Herrn vertrauen, da wir in Dero ganzen Lebenslauf finden werden, wie der Name des Herrn Hochdenenselben ein festes Schloss gewesen, wie Sie als ein Gerechter dahin gelaufen Beschirmung und Erhöhung gefunden haben.

Aus dem Hochgräflichen Haus Castell entsprossen erblickte Hochdieselben das Licht der Welt 1707 den 23. Februar, und kaum waren Sie geboren, so wiesen Dero Hochgräfliche Eltern Sie dahier, wo der Name des Herrn über Hochdieselben angerufen wurde, wo Sie durch die Heilige Taufe die Gnade eines Gerechtfertigten erlangten, und so hoch Dero leiblicher Geburt Sie vor anderen Menschenkindern adelte, so wurden Sie doch durch die geistliche Wiedergeburt erst zur höchsten Ehre erhöhet, zu einem Kind Gottes erhoben.

Dero Jugendjahre waren bei mancherlei traurigen Veränderungen und Abweichungen dieses Lebens, da Sie noch vor dem dritten Jahre desselben Dero in Gott ruhenden Herrn Vater verloren, unter der Erziehung Dero Hochgräfliche Frau Mutter, deren Gottesfurcht noch immer in gesegneten Andenken unter uns bekannt ist, eine beständige Hinführung und Anweisung zu dem Namen des Allerhöchsten, um bei demselben als dem rechten Vater Schutz und Erhöhung zu finden.

Hier sowohl, als auf hohen Schulen, auf vielen Reisen, in Umgang mit Gelehrten, durch beständiges Lesen auserlesener Bücher sammelten Sie sich einen Schatz von Gelehrsamkeit in allen Arten von Wissenschaften, welcher jedermanns Bewunderung weckte und doch blieb unter denselben die paulinische Wissenschaft: Jesus Christus der Gekreuzigte, die vornehmste und liebste für Dero unsterbliche Seel. Zu dem Heiland flohen Sie allezeit, der war Ihr festes Schloss und durch denselben wurden Sie beschirmet, mit Ehren gekrönet, Sie wurden erhöhet.

Ferdinande Adriane Gräfin und Frau zu Castell-Remlingen, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode

An Dero hochräflichen Frau Gemahlin aus dem Erlauchten hochgräflichen Stollberg-Wernigerodischen Hause, welche Hochdenenselben durch sonderbare göttliche Vorsorge als der edelste Schatz Dero irdischen Vergnügens zugeführet wurde, fanden Hochdieselben eine beständig getreue Begleiterin, welche unermüdet nach diesem Schlosse des göttlichen Namens mit Ihnen zu eilen sich bestrebten. Bis in das 28ste Jahr war dieses Ihre gemeinschaftliche eifrigste Bemühung, sich in dem Laufe nach dem festen Schlosse des Himmels durch Gottesfurcht und fleißiges Forschen in heiliger Schrift zu unterhalten und einander in dem schweren Laufe beizustehen. Nie haben Ehegatten vergnügter gelebt als die, welche dem Schlosse des Himmels zueilen. Obgleich der Herr diese sonst hochbeglückte Ehe nicht mit Leibeserben gesegnet, so ersetzte derselbe diesen Mangel irdischen Vergnügens reichlich mit Freude und Vergnügen des Geistes.

Viele Lasten und Sorgen wurden indessen dem Hochseeligen Herrn aufgelegt, ermüdet von denenselben eilten Sie allezeit im Gebet zum Namen des Herrn und erfuhren Beschirmung und Erhöhung.

Nach einem vor 5 Jahren und 5 Wochen durch den Tod unsers weiland gnädigen Landesvaters Grafens und Herrns erlittenen schmerzlichen Verlust, durch welchen wir in die tiefste Betrübnis versetzet wurden, wurden wir durch Dero Antritt der Regierung allhier zu Castell wieder erfreuet und getröstet und verhofften lange Dero Schutz und Gnade zu genießen. Allein der Höchste hatte ein anderes beschlossen. Wir sollten unsern gnädigsten Landesvater und Herrn nur eine kleine Zeit als einen zum Schlosse des Himmels eilenden besitzen.

Und o dass ich nicht zu dem traurigen Auftritt kommen müsste, der allen, welche die Gnade gehabt den Hochseeligen Herrn zu kennen, Tränen auspresst und in die tiefste Traurigkeit versetzet! O dass ich nicht sagen müsste das, was uns allen so lange Zeit Kummer und Schmerzen verursachet hat, dass Sie mit einer höchst beschwerlichen und unheilbaren Krankheit beladen uns nichts anderes dadurch ankündigten, als dass Sie nach dem Schlosse des Himmels eilten, um allda von allem Übel errettet und erhöhet zu werden!

Von geistlichen Feinden zwar hatte sich Dero Christo geheiligte Seele durch beständigen Streit wider dieselben einen Sieg nach dem andern, und durch den Sieg, Ruhe und Triumph verschaffet. Aber die Krankheit Ihres Leibes kündigte uns nichts anderes an, als dass Sie nicht länger bei uns zu verweilen gedächten, sondern ohne längeren Aufenthalt nach dem himmlischen Schlosse zu eilten.

Wer an einem Orte keine Speise und Trank mehr zu sich nimmt, der denket nicht mehr lange daselbst zu verbleiben. Unser hochseeliger Herr, gleich denen, welche in ein anderes Land ziehen, gewöhnten sich bei fast gänzlicher Entbehrung der irdischen Speisen, einzig an geistliche und himmlische Speise. Gottes Wort war Ihre einige Erquickung auf Ihrem Siegbette und damit gestärket eilten Sie getrost und ohne Furcht des Todes dem Schlosse des Himmels zu. Das irdische Haus Ihrer Hütte neigte sich immer mehr und mehr dem Grabe zu und Sie konnten sagen: Ich sterbe täglich. Sie merkten am besten die Abnahme der Kräfte des Leibes, obgleich Dero Seelenkräfte durch Gottes Gnade gestärket allezeit stark und munter blieben.

Dies zeigte sich am deutlichsten in der ausnehmenden nicht nur Gelassenheit, sondern der größten Freudigkeit, mit welcher Sie Ihr Haus zu einer Zeit bestellten, da noch niemand als Sie selbst glaubten, dass Ihre letzte Reise zu dem Schlosse des Himmels so nahe wäre. Es werden dieses alle die bezeugen, welche die Gnade gehabt, Zeugen dieser Bestellung zu sein. Mit welchem Geiste wendeten Sie die Worte Hiskias: „Herr ich leide Not lindre mirs“ auf sich an?, erklärten dieselben nach dem Sinn des Geistes und baten mit dem frommen König: „Herr ich leide Not, sponde pro me (gib mir Antwort), vertritt du mich, sei du mein Bürge. Alles was Sie damahlen taten und redeten, zeigte von Ihrer Gewissheit der Hoffnung der ewigen Seeligkeit und von Ihrer Freudigkeit nach dem Schlosse des Himmels zu eilen. Und o wie bald, wie nur gar zu bald für uns, haben Sie das Ziel Ihrer Wünsche erreichet! O dass ich den Tag und die Stunde nicht so bald nennen müsste, an welchem der für uns so traurige Hintritt erfolget ist! Doch warum sollen wir wünschen, dass dieses nicht geschehen sei, was der Höchste beschlossen hatte, warum sollten wir verbitten, dass dieses nicht geschehen sein möchte, wonach doch unser Hochseeliger Herr Ihre ganze Lebenszeit hindurch es zu erlangen gerungen haben? Es ist geschehen, was der Herr über seinen Diener beschlossen hatte. Es ist erfolgt, was wir so lange befürchtet haben. Der Herr über Leben führte Dero unsterbliche Seele aus dem Leiden der Zeit zu dem Schlosse des Himmels, Dero tödlichen Hintritt erfolgte durch einen sanften und seeligen Tod, verwichenen Montag, den 22. Juni, Nachmittag nach 1 Uhr. Weinet nicht Tränen der Betrübnis, weinet nur Tränen der Liebe bei dem Abschied eines Christen, der durch einen seeligen Tod zum Ziel seiner Wünsche, zum Endzweck seines Lebens, zum Schlosse des Himmels gelanget ist, wo der Name des Herrn über der geheiligten Seele strahlet, wo Sie den kennet, welchen sie hier geliebet. Sie sind dahin gelanget, Sie haben Ihren Lauf wohl, Sie haben denselben glücklich vollendet, Sie sind mit himmlischer Freude umgeben, beschirmet und in dem Schlosse des Himmels erhöhet. 65 Jahre 4 Monate 15 Tage war die Zeit Ihrer Wallfahrt. Ihre Freude aber wird unaufhörlich währen.

Hochansehnliche Trauerversammlung! Obgleich die Seele unsers gnädigsten Landesvaters und Herrns zum Ziel Ihrer Wünsche, zum völligen Anschauen Gottes durch einen seeligen Tod gelanget ist, so haben wir doch Ursache, unseren Verlust, welchen wir durch Dero Hintritt erlitten, zu beklagen und zu beweinen und wer bei dem Grabe eines Landesherrn nicht gerühret wird, der ist nicht wert, wieder einen guten und frommen Landesvater zu bekommen. Ja weil er fühllos gewesen, so wird auch niemand bei seinem Grab weinen. Wir fühlen alle Schmerz genug und allein die Glückseeligkeit, zu welcher unser hochseeliger Herr gelanget, allein der Name des Herrn, zu welchen auch wir in unserer Betrübnis fliehen, stillet unsere Tränen, die Zähren der Liebe und Treue. O wie viele Arme höre ich über Ihren Tod empfindlich seufzen. Und welch ein Schmerz durchdringt die Seele der Hochgräflichen Frau Witwe? Gott lasse Hochdieselben zu Ihrem Troste nur einen frohen Blick von dem Schlosse des Himmels sehen, in welches Dero Hochseeliger Herr Gemahl eingegangen ist, so werden Hochdieselben unter Hinfliehung und Anrufung des Namens des Herrn getröstet, beschirmet und erhöhet werden.

Er lege in uns alle ein lebendiges Verlangen nach dem Schlosse des Himmels, damit wir durch Jesum den Weg, die Wahrheit und das Leben errettet und erhöhet sollen werden. Unsere Pflicht erfordert jetzt von uns, da wir den entseelten Leichnam unsers mit unsterblicher Seele, Freude die Fülle, in dem Schlosse des Himmels geniesenden Grafens und Herrns, bei den Gebeinen Dero erlauchten Vorfahren beizusetzen, denn uns erlaubet die Zeit nichts mehr von Hochdenenselben zu sagen, als Sie haben den Lauf nach dem Schlosse des Himmels vollendet. Sie sind durch den Namen des Herrn beschirmet, ja Sie sind erhöhet.

Gott stehe auch uns allen bei in diesem Laufe. Er lehre uns Glauben halten bis ans Ende und beschirme durch seinen heiligen Namen alle, die zu ihm fliehen.