Der Grund zur Freude - Predigt zum 4. Advent

Freut euch immerzu, weil ihr zum Herrn gehört. Ich sage es noch einmal: Freut euch! Alle Menschen sollen merken, wie gütig ihr seid. Der Herr ist nahe! Macht euch keine Sorgen. Im Gegenteil: Wendet euch in jeder Lage an Gott. Tragt ihm eure Anliegen vor in Gebeten und Fürbitten und voller Dankbarkeit. Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahren. (Phil. 4, 4-7)

Liebe Gemeinde!
Zum 4. Advent gehört der Ruf zur Freude. Gleich zweimal ruft Paulus die Gemeinde in Philippi auf: „Freut euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch, der Herr ist nahe.“
Diesen Aufruf zur Freude verbinden wir in diesen Tagen gern mit der Vorfreude auf Weihnachten. Sie ergreift die Kinder früher und länger. Aber auch die Älteren lassen sich gern von der Festfreude einholen. Erinnerungen werden wach an die eigene Kindheit. Wie war das schön, als Plätzchen gebacken wurden und der Duft durchs Haus ging! Als abends die Kerzen auf dem Adventskranz brannten und gemeinsam Adventslieder gesungen wurden! Und natürlich die gespannte Vorfreude auf die Geschenke.
Diese Vorfreude auf Weihnachten ist recht und darf sein. Sie will jedoch ein Hinweis sein auf eine noch viel tiefere Freude, die uns Paulus heute zuruft und vermitteln will. Es ist die Freude darüber, dass der Herr nahe ist. Wir werden es uns noch gegenseitig zusingen: „Freut euch ihr Christen, freuet euch sehr, schon ist nahe der Herr.“
Ja, wer ist denn dieser Herr, der nahe ist? Wenn Paulus hier das Wort „Kyrios“ verwendet, dann ist das doppeldeutig.
Als Paulus so um 55 n. Chr. seinen Brief an die Philipper geschrieben hat, gab es das Neue Testament noch lange nicht. Paulus las die hebräische Bibel. Die meisten Bücher des AT waren 100 v. Chr. bereits ins Griechische übersetzt. Das Wort Kyrios wird in der griechischen Übersetzung der alten Schriften für den Gottesnamen JHWH verwendet.
Wenn Paulus das Wort „Kyrios“ verwendet und sagt: "Der Herr ist nahe", dann denkt er dabei an Gott selbst.
Zugleich ist für Paulus der Kyrios auch Jesus Christus. Im Römerbrief (10,9) schreibt Paulus: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ Ich finde das sehr klar formuliert: Das Glaubensbekenntnis nicht nur mitsprechen, sondern tief im Herzen davon bewegt und überzeugt sein, dass Jesus der Herr ist: darin liegt die Rettung, das Heil. Weil Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, darum ist er uns nahe und darum dürfen wir aus einer unverbrüchlichen Gemeinschaft mit ihm leben. Diese Gemeinschaft mit Christus ist der Grund für die Freude des Glaubens.
„Freut euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch, der Herr ist nahe.“
Das schreibt Paulus, als er in Ephesus im Gefängnis sitzt und nicht weiß, ob er wieder heil herauskommt. Er schreibt es an seine Lieblingsgemeinde. Dort in Philippi fand Paulus zuerst Aufnahme im Haus der reichen Purpurhändlerin Lydia. Sie ließ sich taufen. Eine kleine Gemeinde entstand. Der gemeinsame Glaube an Jesus Christus verband die Gemeindeglieder mit Paulus. Sie machten miteinander Nähe-Erfahrungen. Daraus erwuchsen tiefe persönliche Freundschaften. Die zeigten sich darin, dass Gemeindeglieder den weiten Weg von Philippi im heutigen Griechenland bis nach Ephesus an der türkischen Mittelmeerküste auf sich nahmen, um Paulus im Gefängnis beizustehen und ihn zu versorgen. Einer von den Gemeindegliedern war Epaphroditus. Kurz bevor er bei Paulus ankam, wurde der todkrank. Doch wie durch ein Wunder wurde er wieder gesund. Er konnte Paulus die Gaben aus Philippi überbringen. Auf dem Rückweg nach Philippi nahm er den Brief von Paulus mit. Da Paulus nicht wusste, wie es mit ihm ausgeht, rechnete er auch mit seinem Tod.  
In einer bemerkenswerten Freiheit schreibt Paulus: „Ich hätte Lust, aus diesem Leben zu scheiden und bei Christus zu sein.“ Die Freude an Christus ist bei Paulus so stark, dass nichts und niemand sie beeinträchtigen kann. Die Freude an Christus ist stärker als der Tod. Hinter dieser Sehnsucht nach einem endgültigen Zusammensein mit Christus steckt nicht Lebensüberdruss.
Paulus flüchtet auch nicht vor der Verantwortung im Hier und Heute. Denn er macht sich sofort selbst den Einwand: „Aber ihr braucht mich ja noch.“ Und er hofft auch, dass er bald entlassen wird und dann will er nach Philippi reisen.
Paulus befand sich also zwischen Bangen und Hoffen. Aber von einem Bangen ist in diesem Freudenbrief nicht viel zu spüren. Die Freude am Herrn dominiert. Und diese Freude will er mit der Gemeinde teilen. Wenn sie auch aus der Freude am Herrn leben, wird das ausstrahlen. Ihre Umgebung wird spüren, dass sie aus einer besonderen Quelle schöpfen. Sie sollen sich auch keine Sorgen um Paulus machen, sondern beten und dabei das Danken nicht vergessen. So wird der Friede Gottes ihre Herzen und Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahren.
Liebe Gemeinde!
Wir haben in einer kleinen Gruppe wieder Exerzitien im Alltag durchgeführt. Das Thema der fünf Wochen war: „Du bist uns nahe.“ Durch Impulse für jeden Tag sind wir etwas achtsamer durch diese Wochen gegangen. Beim wöchentlichen Austausch haben wir die Themen der verschiedenen Tage vertieft. Es ging viel um Achtsamkeit, um das Wahrnehmen der Beziehungen, in denen wir leben. Es ging um Aufmerksamkeit für die Nähe Gottes im Alltag. Ein einfaches Abendgebet fanden wir als sehr wohltutend und hilfreich: „Ich atme ein, ich atme aus, Du bist da.“ Exerzitien. Übungen. Schon allein diese kleine Übung verändert den Alltag: „Ich atme ein, ich atme aus, Du bist da.“
Der katholische Pfarrer Elmar Gruber schreibt: Im Augenblick des Glücks ist Gott ganz nahe. Gott ist in der Nähe - in jeder Nähe.
Versuchen Sie, sich an Erfahrungen von Nähe zu erinnern. Wer oder was ist Ihnen in der letzten Zeit ganz nahegekommen und hat Sie innerlich berührt. Das sind oft kurze Momente, die man übersehen kann. Die man aber auch mit der Nähe Gottes in Verbindung bringen kann. Da grüßen mich Kinder freundlich und fröhlich in der Schule. Da kocht meine Frau ein leckeres Essen. Da freut sich jemand über meinen Besuch. Da schenkt mir jemand Plätzchen. Da sehe ich die Sonne zwischen den Bäumen untergehen. Da tut mir ein warmes Getränk gut. Da lächelt mir jemand zu. – So oder so ähnlich machen wir ständig Erfahrungen von Nähe. Ja, Gott ist in jeder Nähe. Er ist das Nahe in der Nähe. In Erfahrungen von Nähe ist Gott nahe und schenkt Ansehen, Annahme, Geborgenheit, Freude und Frieden.
Elmar Gruber wurde gefragt:
„Werden Sie in Ihrem Glauben gelegentlich auch unsicher?“ Darauf seine Antwort: „Ich meine, dass jeder Glaube immer wieder in eine Prüfung kommt. Das nennt Martin Buber „Gottesfinsternis“. Augenblicke der Gottnähe kann man nicht festhalten. Es gehört zum Wesen menschlichen Erlebens und menschlicher Erfahrung, dass die entscheidenden Wirklichkeiten nur augenblickshaft erlebt werden können. Dann hängt es von mir ab, wie ich damit umgehe: gläubig oder konsumhaft, festhaltend oder bereit zum Loslassen, um wieder offen zu sein für neueres, tieferes Erleben.“
In den Exerzitien wurden wir auch darauf hingewiesen. Wir können und wir sollen Gott nicht festhalten. Gott entzieht sich immer wieder unserem Erleben, unseren Vorstellungen von ihm, unserem Begreifen und Verstehen. Dann meinen wir, dass er wäre fern. Doch wenn Gott sich uns entzieht, geschieht dies nur, weil er uns zu neuen Begegnungen mit sich führen will und zu neuen Entdeckungen. Gott ist immer größer als unser Denken. Darum schreibt Paulus: Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahren.
Ich schließe mit einem Gebet bzw. Lied von Schalom Ben-Chorin.
Es findet sich in unserem Gesangbuch unter Nr. 237:
Und suchst du meine Sünde, flieh ich von dir zu dir, Ursprung, in den ich münde, du fern und nah bei mir.
Wie ich mich wend und drehe, geh ich von dir zu dir; die Ferne und die Nähe sind aufgehoben hier.
Von dir zu dir mein Schreiten, mein Weg und meine Ruh, Gericht und Gnad, die beiden bist du – und immer du.

Ich wünsche Ihnen die Freude, die sich aus der Nähe Gottes, aus der Nähe Christi speist. Singen wir Sie uns zu.

(EG 17 Wir sagen euch an…)

Amen