Ein Wort, das heilt - Predigt am 23. Januar

Worte haben eine Wirkkraft. Das erleben wir täglich. Im Guten und im Bösen. Worte können aufbauen, Worte können verletzen und vieles mehr.

Ein Beispiel für Worte, die erniedrigen und entwürdigen (zitiert aus: Eckhart von Hirschhausen, Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist?):

„Ich würde mich gerne mit dir geistig duellieren; aber ich sehe, du bist unbewaffnet.“

Oder: „Du tanzt wie ein Nilpferd“.

Oder: „Dein Stammbaum ist ein Kreis.“

Oder: „Du kannst nicht von der Tapete bis zur Wand denken.“

Für Außenstehende klingen solche Sätze lustig. Für die Adressaten und bei entsprechendem Tonfall sind sie verletzend.

Mir ist bewusst, dass es noch verletzendere Worte gibt.

Und manche Worte sind vergiftet und kommen daher wie Wölfe im Schafspelz. In der Bergpredigt geht Jesus darauf ein. Er fordert dazu auf, auf die eigene Sprache zu achten und macht deutlich:

Man kann auch mit Worten töten. Wer andere mit Worten piesackt, beleidigt, erniedrigt, verletzt, der übertritt das Gebot: „Du sollst nicht töten!“ Und Jesus fügt hinzu: Dann hat er aber für sich selbst auch nichts Gutes zu erwarten. Auf ihn wartet das Gericht oder das Feuer der Hölle.

Ja, hinterher bereut man manchmal die bösen Worte, die man von sich gegeben. Mag sein, dass man im Stress war und sich nicht kontrollieren konnte. Aber was man gesagt hat, das lässt sich nicht ungeschehen machen. Wer ein Gewissen hat, dem lässt es keine Ruhe, solange er den andern nicht um Verzeihung bittet.

In der Bergpredigt versucht Jesus die andere Seite in uns zu stärken: dass wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, auf Böses nicht mit Bösem reagieren, sondern segnen, Gutes sagen und denken.

Wir wissen, wie Komplimente und anerkennende Worte uns guttun. Wir alle leben davon, dass wir durch andere Anerkennung und Beistand erfahren.

Es tut gut am Geburtstag zu hören: Wie schön, dass es dich gibt. Du bist eine Bereicherung für mich, für uns.

Einer Mutter ging das Herz auf, als ihr Sohn zu ihr sagte: „Mama, ich lieb dich mehr als Papa. Ich kenn dich auch besser: Von innen und von außen.“

Damit wir wieder ins Lot kommen: Welcher Vater hört nicht gern von seinem Kind: „Du bist der beste Papa der Welt.“

Gute Worte tun gut.

In unserem heutigen Predigttext geht es um Worte mit Wirkkraft. Leider ist da auch beides: Gutes und Böses. Zuerst zum Guten.

Jesus kommt vom Berg der Bergpredigt herunter nach Kapernaum.

Unterwegs rührt er einen Aussätzigen an und heilt ihn.

In Kapernaum tritt dann ein heidnischer Offizier an Jesus heran mit einem ähnlichen Anliegen. Das Wort „pais“ kann sowohl mit Sohn als auch mit Diener übersetzt werden. So oder so ist klar, dass dem Offizier sein kranker Sohn bzw. Diener sehr am Herzen liegt. Er traut Jesus zu, dass er helfen und heilen kann.

Zwei Welten treffen hier aufeinander. Die soldatische Lebenswelt von Befehl und Gehorsam und die seelsorgliche Wahrnehmung Jesu. Und in beiden Welten stehen sich Heidentum und Judentum gegenüber. Vielleicht ist die Antwort Jesu als Frage zu verstehen: Ich soll kommen und ihn gesundmachen? Es ist auf jeden Fall eine ungewöhnliche Situation, dass sich hier ein römischer oder syrischer Offizier an einen Juden wendet. Der Offizier spürt das und achtet auf die Vorschriften der Juden, die kein heidnisches Haus betreten sollen. Voller Demut und Respekt vor dem Mann aus Nazareth sagt der Offizier: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“

Was für eine Bitte! Was für ein Gebet! Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Hier traut einer dem Wort Jesu alles zu. Und er begründet das dann aus seinem soldatischen Leben: „Wenn ich zu einem untergebenen Soldaten sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Diener: Tu das!, so tut er’s.“

Der Offizier kennt die Macht der Worte, die Macht eines Befehls. Und so traut er es umgekehrt Jesus zu, dass er allein durch sein Wort Großes bewirken kann: „Sprich nur ein Wort!

Als etwas abgewandeltes Gebet haben die Worte des Offiziers Eingang gefunden in die katholische Messliturgie. Sie werden vor der Austeilung gebetet: Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

Aus der Bitte für den Kranken Sohn oder Diener wird eine Bitte für mich selbst: Jesus möge mich heilen durch die Kraft seiner Worte.

Man spürt also, dass die Bitte des Offiziers über seine Situation hinaus ein wichtiges Gebet für uns alle ist.

Und am Ende wird die Heilkraft der Worte Jesu auch festgestellt. In dem Moment, wo Jesus zu dem Offizier sagt: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast, in diesem Moment wird sein Sohn bzw. Diener gesund.

Im Matthäusevangelium hat diese Geschichte auch mit der Ausweitung des Heils auf alle Menschen zu tun. Matthäus nennt beispielsweise bereits im Stammbaum Jesu (Mt 1) vier Frauen, die allesamt Heidinnen sind. Im Gegensatz zu den Frommen erweisen sich diese Frauen als die eigentlich Gerechten. Oder es kommen die Sterndeuter aus dem Osten, Heiden, und beten das Kind an (Mt 2). Dann dieser heidnische Offizier (Mt 8). Dann die kanaanitische Frau (Mt 15). Und am Ende der Missionsauftrag: „Geht hin in alle Welt!“ (Mt 28).

Dieses Thema wird in unserem Predigttext mit zwei Sätzen vertieft (8,11-12), die wie ein Einschub erscheinen und leider vergiftet klingen. Man kann sie so verstehen, dass mit dem Offizier die Heiden in die Gemeinschaft des Reiches Gottes aufgenommen werden: Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen („niederlegen“). Das Heil, das Jesus bringt, ist nicht auf das Judentum beschränkt. So kann man das positiv verstehen. Doch der folgende Satz muss besonders kritisch wahrgenommen werden. Ich denke, er wurde Jesus in den Mund gelegt, als die Christen sich heftig mit den Juden auseinandersetzten: aber die Söhne des Königtums (gemeint sind die Juden) werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Das sind Worte, die eine Blutspur hinter sich herziehen. Man verstand sie so, dass die Juden nicht richtig glauben und dass sie darum verstoßen und enterbt werden. Ihr Erbe geht auf die Christen über. So trugen diese Worte nicht nur zu Abgrenzung gegenüber dem Judentum bei, sondern führten auch zu großer Überheblichkeit. Christen und Christinnen sprachen ihrer eigenen Mutterreligion den rechten Glauben ab und wollten sie enterben. Gefährliche und böse Worte müssen als solche gekennzeichnet und entlarvt werden, damit sie nicht weiter negativ wirken.

Wenn schon, dann bleiben die in der äußersten Finsternis, die sich über andere erheben und ihnen den Glauben absprechen. Jesus hat es umgekehrt gemacht. Er hat beim heidnischen Offizier einen tiefen, vorbildhaften Glauben gefunden. Das sollte uns zu denken geben.

Finden auch wir an anderen das Gute! Verstärken wir es! Bleiben wir demütig wie der Offizier und beten immer wieder für uns und andere: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird meine / seine / ihre Seele gesund.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Eine gesegnete Woche,

Ihr Pfarrer Hans Gernert