Gedanken zum Lied "Herz und Herz vereint zusammen" von Konrad Klek

Konrad Klek in Rehweiler am Palmsonntag 2024
Bildrechte Hans Gernert

Getragen und erhaben begleitete Konrad zu Beginn seiner Ausführungen über Mystik im Evangelischen Gesangbuch das Zinzendorf-Lied „Herz und Herz vereint zusammen sucht in Gottes Herzen Ruh“. Dreimal findet sich im ersten Satz das Wort „Herz“. In der Mystik geht es um eine Herzensfrömmigkeit, um eine Kommunikation von Herz zu Herz, um die Verbindung des inneren Menschen mit dem Herzen Gottes. Gott wird personal vorgestellt. Es gibt keine innigere Verbindung, als wenn sich zwei Menschen mit dem Herzen verstehen. Das zweite mystische Stichwort ist „Ruh“. Ein Aspekt der Mystik ist es, Ruhe zu finden für die Seele. Dann ist Erfüllung da. „Lasset eure Liebesflammen lodern auf den Heiland zu.“ In der Erstfassung hieß es „lodern auf das Lämmlein zu“. Aufgrund eines ausufernden Lämmlein-Kultes sah sich Zinzendorf genötigt, die Rede vom Lämmlein zu verbieten. Drittes Stichwort hier ist „Liebe“. Zur Bilderwelt der Mystik gehört es, dass alle Bilder aus dem Liebesleben auf das Glaubensleben übertragen werden. Das führt dazu, dass das Glaubensleben emotional intensiv wird. Das Bild der Flammen kommt vom Pfingstereignis her. Dreimal wird dann die Verbindung mit Christus mit einem Er-Wir-Satz verdeutlicht: „Er das Haupt, wir seine Glieder, er das Licht und wir der Schein, er der Meister, wir die Brüder“. Protestantische Mystik richtet sich auf Christus aus. Die Bilder enthalten eine Unterordnung, vor allem aber eine enge Zusammengehörigkeit mit Christus. In diesem Bewusstsein hat die Herrnhuter Brüdergemeine 1741 offiziell Christus zum Oberhaupt der Gemeinde gewählt. „Er ist unser, wir sind sein.“ 1723 hat Zinzendorf dieses Lied gedichtet, 1725 wurde es gedruckt, Christian Gregor hat es 1778 bearbeitet.
Die einfache Melodie besteht fast nur aus Ein-Ton-Schritten. Es gibt keinen Rhythmus. Klek begleitete das Lied ein zweites Mal im halben Tempo. Der Sinn des getragenen Tempos ist es, dass man den Text besser miterleben kann. Es gibt ein Klangfluidum, in das man sich hineinbegeben kann. Wie bei den Taizé-Gesängen entsteht eine meditative Atmosphäre. Man kann beim gemeinsamen Singen nachatmen. Das tief Luftholen hat auch etwas Entspannendes und Meditatives.

Das erste geistliche Lied von Martin Luther „Nun freut euch lieben Christengmein“ , EG 341, steht ganz in mystischer Tradition. Er dichtete es 1523 und schuf auch die Melodie. 1524 wurde es in Nürnberg gedruckt im 8-Liederheft, auf das das Jubiläum 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch zurückgeht. Es begann mit einem Fake, denn es wurde nicht wie auf dem Titelblatt angegeben in Wittenberg, sondern in Nürnberg gedruckt. Mit der Angabe „Wittenberg“ ließ es sich einfach besser verkaufen. In der Form eines Erzählliedes bringt Luther den Menschen das Heilsgeschehen nahe. Das Wort „süß“ (süße Wundertat) ist typisch mystisch. Süß ist, was mich Gott näherbringt. „Er wandt zu mir sein Vaterherz“, das heißt dass Gott nicht der strenge Richter ist, sondern sich über mir erbarmt. In Strophe 7 spricht Christus den mystischen Kernsatz: „Denn ich bin dein und du bist mein und wo ich bin, da sollst du sein, uns soll der Feind nicht scheiden.“ Zwei Wurzeln hat dieser mystische Gedanke: einmal im Hohelied Salomos („Mein Freund ist mein und ich bin sein“) und in der mittelalterlichen Verlöbnisformel („Ich bin din und du bist min, des sollst du gewiss sin.“) Nach evangelischem Verständnis kann der Mensch nicht von sich aus zu Gott kommen durch Absolvierung verschiedener Stufen. Es geht so, dass Christus mir zuspricht, dass er für mich da ist und ich mich auf sein Wort verlasse. Wo Christus wohnt, werde ich auch wohnen (Joh 14). Uns kann der Feind nicht scheiden (Röm. 8). Die Verbindung zu Christus ist so eng, dass kein Blatt zwischen Christus und mir passt. Alles, was Christus tut, kommt mir zugute.
Klek ging dann weiter auf Paul Gerhardt (der den Binnenreim von der Verlöbnisformel her erfand, EG 370,11-12!), Philipp Nicolai (EG 70: Brautmystik), Joachim Neander (EG 327) und Gerhard Teerstegen (165) ein. Teerstegen will in der mystischen Schau ganz bei Gott sein und sich in Gott versenken: Ich in dir, du in mir. Das verträgt sich eigentlich gar nicht mit äußeren Aktivitäten wie dem Singen. Töne stören und lenken auf sinnliche Pfade. Das hängt bei Teerstegen auch mit der reformierten Tradition zusammen.