Predigt beim Waldgottesdienst in Ebersbrunn am 25.7.2021

Matthäus 5, 13-16: Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Liebe Gemeinde!

Eine orientalische Geschichte:

Als Gott die Welt erschaffen hatte, stellte er sich die Frage, wo er sich selbst hinbegeben sollte. Schließlich sollte der Mensch ja lernen, seine Freiheit verantwortlich zu gebrauchen und seine Fähigkeiten zu entwickeln.

Gott und seine himmlischen Wesen berieten sich. Ein Engel machte den Vorschlag, Gott könne auf den höchsten Berg gehen, um sich dort zu verstecken. Gott meinte: „Es wird nicht lange dauern, dann finden sie mich dort.“ Der zweite Engel sagte: „Verstecke dich in den Tiefen des Meeres.“ Doch Gott erwiderte: „Ich kenne die Menschen, sie werden mich finden.“ Ein Dritter rief: „Verstecke dich auf dem Mond oder einem der Planeten.“ Voll Zweifel antwortete Gott: „Sie werden mich finden“.

- Wie könnte diese Geschichte weitergehen?, fragte ich in der Schule. Ein Mädchen meinte: Gott macht sich unsichtbar.

- Erwachsene meinten: Gott versteckt sich in der Kirche. Oder in der Bibel. Oder im Menschen neben mir.

Die orientalische Geschichte geht so weiter:

Zuletzt meldete sich der Engel Michael: „Ich hab’s. Verstecke dich im Herzen jedes Menschen. Er wird niemals daran denken, dort nach dir zu suchen.“ Gott antwortete: „Ja, das werde ich tun. Wenn sie mich dort finden, dann sind sie gereift und auch innerlich mir ähnlich geworden.

Warum erzähle ich diese Geschichte. Sie spricht jedem von uns etwas zu, was wir so nicht vor Augen haben: Gott ist da. Du siehst ihn nicht. Aber er ist dir näher als du meinst. Er ist in dir zu finden. Achte auf dein Herz.  

Auch Jesus spricht uns in der Bergpredigt etwas zu:

Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt.

Jesus begründet das nicht, warum und wie wir Salz der Erde und Licht der Welt sein sollen. Es lässt sich auch nicht begründen. Denn können nicht ernsthaft behaupten, dass wir als Christen besser sind als andere. Mit unserem Leben und Glauben sind wir keineswegs Lichtgestalten. Wenn wir das Salz der Erde oder das Licht der Welt sein sollten – wir würden scheitern.

Wir können es nicht von uns selbst sagen, dass wir das Salz der Erde wären oder das Licht der Welt. Denn wir sehen uns selbst nicht so.

Umso erstaunlicher ist es, dass Jesus uns so sieht.

Jesus traut uns viel zu, wenn er sagt: Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt.

Ohne Licht gäbe es kein Leben, keine Pflanzen, keine Nahrung. Erst durch das Licht wird Leben möglich. Welch ein Zutrauen von Jesus, wenn er sagt: Ihr seid das Licht der Welt. Von euch geht Leben und Erkenntnis aus.

Beim Salz kann man drei große Bedeutungen unterscheiden:

1. Salz hat eine würzende Kraft. Damit will Jesus sagen: Ihr seid ein Gewürz. Ihr bringt das Leben auf den Geschmack.

2. Salz hat konservierende Kraft. Ihr stoppt den Zersetzungsprozess, den tödlichen Prozess, die Fäulnis dieser Welt.

3. Das Salz hat reinigende Kraft. Salz greift an. Hat Biss. Steht für Mut und Schärfe.

Es fällt auf, dass wir als Gemeinschaft angesprochen werden: Ihr seid.

Keiner ist Salz für sich allein, keiner hat das Licht für sich allein.

Nur miteinander können wir Salz sein. Das Salz der Erde und das Licht der Welt ist etwas, was sich im Umgang miteinander zeigt, was in der Gemeinschaft wirkt und erfahren wird und dann nach außen dringt.

Am Anfang der Bergpredigt spricht uns Jesus also etwas zu, er traut uns viel zu. Im Folgenden wirft er dann einen Blick auf verschiedene Bereiche des Lebens und mutet uns viel zu bis hin zur Feindesliebe.

Er verschärft die Gebote, zum Beispiel das Gebot: „Du sollst nicht töten“ und sagt: Du tötest nicht erst dann jemanden, wenn du ihn umbringst, du tötest auch schon, wenn du jemand mit Worten verletzt, wenn du ihn herabwürdigst, beschimpfst, beleidigst, mobbst.

Wenn wir uns an Jesus orientieren und auf ihn bauen, dann dringt sein Salz, sein Licht in uns ein.

Denn die meisten Menschen auf der Erde orientieren sich nicht an Jesus. Wenn wir auf seine Worte hören, werden wir anders, dann werden wir ihm ähnlicher. Er ist es, der in uns wirkt, wenn wir als Gemeinschaft auf ihn hören und ihm nachfolgen. Er macht uns zu Salz und Licht, das in die Welt hineinwirkt. Ich nehme dann auch wahr, dass und wie er auch an anderer Stelle wirkt. Gute Ideen wachsen auch außerhalb kirchlicher Mauern. Warum sich nicht zusammentun? Im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Im Eintreten für Gerechtigkeit. Im Kampf gegen eine Spaltung der Gesellschaft, gegen Extremismus und Rassismus.

Über unser Dekanat haben wir vier Packungen mit besonderem Klopapier für die Gemeindehäuser erhalten. Eine Hamburger Firma, die sich auch sozial engagiert, hat antirassistisches Klopapier hergestellt. Dabei haben Künstler mitgewirkt. Unter dem Motto „Rassismus ist für’n Arsch“ sind die 150 Blatt auf einer Rolle mit Sprüchen bedruckt, die zum Nachdenken herausfordern und eine antirassistische Haltung fördern wollen. Da steht zum Beispiel zu lesen: „Weise deine Freund*innen auf rassistische Aussagen und Verhaltensweisen hin.“

„Die Aussage ‚Das war nicht so gemeint“ ist keine Rechtfertigung für rassistisches Verhalten.“

„Rassismus geht uns alle an!“

„Höre Betroffenen zu und lerne!“

„Antisemitismus zu tolerieren ist Antisemitismus.“

„‘Woher kommen deine Eltern?‘ ist kein Gesprächseinstieg.“

„Kein Mensch ist illegal!“

Die Sprüche auf der Rolle wiederholen sich und so kann ein Problembewusstsein eingeübt werden.

Die Präparanden und Konfirmanden haben alle gern eine Rolle mitgenommen.

Antirassismus lässt sich auch von der Bergpredigt her untermauern: „Wer seinen Mitmenschen beleidigt und Ausdrücke sagt wie ‚Du Idiot!‘ Oder: ‚Du Vollpfosten!‘, der lädt Schuld auf sich und hat das Höllenfeuer verdient.“ „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.“ Oder die Goldene Regel: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ Jesus traut seinen Jüngern und uns ein solches Verhalten zu und macht uns dazu Mut, wenn er sagt:

Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt.

In den letzten Tagen haben uns alle die Nachrichten von der Jahrhundertflut erschüttert mit den vielen Toten und den großen Schäden für Privatleute und an der Infrastruktur. Die Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität ist für die Betroffenen ein wichtiges Signal der Hoffnung. Unsere Konfirmandengruppe war sich gestern auch schnell einig, dass sie die traditionelle Konfirmandenspende für die Opfer des Hochwassers geben wollen.

Das Leben mit Jesus, das Leben mit Gott, ist nicht etwas, was sich nur in unserem Kopf abspielt. Es zeigt sich konkret in unserem Verhalten, in einem wertschätzenden Umgang miteinander, in Nachbarschaftshilfe, im Teilen von Freud und Leid, in einem guten Reden voneinander, im Bemühen um Versöhnung und vielem mehr.

Bei allem erfahren wir, dass Gott unter uns wirkt. Von seinem Licht haben wir unser Licht. Er macht uns zum Licht der Welt und zum Salz der Erde.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sonntag und eine gesegnete neue Woche,

Ihr Pfarrer Hans Gernert