Predigt zur Silbernen Konfirmation

Liebe Gemeinde, liebe Silberne Konfirmanden! Sie wurden 1995 oder 1996 hier von Pfarrer Zettler konfirmiert. So manche Erinnerungen an die Zeit damals werden in Ihnen heute lebendig.

Das Fest der Silbernen Konfirmation wird auf verschiedenen Ebenen erlebt. Da ist die kirchliche Seite, der Gottesdienst, der christliche Glaube, der Bezug zu Jesus Christus, zur Taufe, zum Abendmahl, Worte der Heiligen Schrift, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, Lieder, Gebete, der Segen und die Gemeinde.

Neben der kirchlichen Ebene dieses Tages gibt es auch die menschliche Seite. Das gemeinsame Essen bei Francesco. Das Wiedersehen nach vielen Jahren. Das Interesse aneinander ist auch eine wichtige Motivation, die Silberne Konfirmation zu feiern. Manche haben einen wichtigen Termin zurückgestellt, um heute dabei zu sein. Das verdient Anerkennung.

Ich will von dieser gruppenbezogenen Ebene noch die ganz persönliche Ebene unterscheiden, den eigenen Lebensweg. Wie ging es weiter nach der Schule, privat, beruflich, familiär? Ich möchte Sie einladen, für sich einmal hinzuschauen und hinzufühlen, wie es für Sie nach der Konfirmation weitergegangen ist. Ist der christliche Glaube für Sie zu einer geistlichen Heimat geworden? Konnte sich Ihr Glaube vertiefen? Gab es Krisen, in denen Ihr Glaube gefährdet war oder sich gar vertieft hat. Luther sagt, dass Anfechtungen normal sind und zum Glauben dazugehören. Ich sehe das auch so.

Ganz einfach gefragt: Haben Ihr Konfirmationskreuz und ihr Konfirmationsspruch einen bestimmten Platz in Ihrem Haus, in Ihrer Wohnung gefunden? Heute erhalten Sie Ihren Konfirmationsspruch, den Ihnen vor 25 oder 26 Jahren Pfarrer Zettler überreicht hat, ein zweites Mal. Über meinem Nachkästchen hängen beide gerahmten Scheine, der von der grünen und der von der silbernen Konfirmation samt Sträußchen.

Ich möchte Ihr persönliches Jubiläum mit einem anderen großen Jubiläum in Verbindung bringen. In diesem Jahr gibt es landauf landab Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.“ Im Jahr 321 erlaubte Kaiser Konstantin auf Anfrage der Stadt Köln den dort ansässigen Juden, dass sie in öffentliche Ämter wie dem Stadtrat berufen werden können. Dieser judenfreundliche Erlass wird vielerorts zum Anlass genommen, die über 1700jährige Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland ins Bewusstsein zu heben. Unser Blick auf das Judentum war in den letzten Jahrzehnten verengt auf die Verbrechen der Nazis an den Juden. Doch es gab Zeiten, in denen die christliche Bevölkerung viel mehr von den Juden wusste als heute, weil sie in ständigem Kontakt und Austausch mit jüdischen Mitbewohnern lebte. So war es auch in Rehweiler über 150 Jahre lang von 1720 bis 1870. Wolf-Dieter Gutsch aus Wiesentheid, mein ehemaliger Physiklehrer, engagiert sich sehr um die jüdische Geschichte in unserer Region. Von ihm hat die Mainpost am vergangenen Donnerstag eine ganze Seite über die Geschichte von Mendlein Grabfelder und seine Nachkommen in Amerika veröffentlicht. Demnächst kommt Herr Gutsch zu uns und wird beim Geselligen Nachmittag über das Jüdische Leben in Rehweiler erzählen.

Nach diesem kleinen Exkurs will ich verdeutlichen, dass Sie mit Ihrem Konfirmationsspruch Teil der jüdisch-christlichen Geschichte sind.

Machen wir uns bewusst, dass unser christliches Reden vom Glauben immer schriftbezogen ist. Es knüpft an an die Thora, an die Schriften der hebräischen Bibel.

Im Urchristentum kam es zu einer explosionsartigen Steigerung der Bezugnahme auf das Alte Testament. Das zeigt sich auch in unserem heutigen Predigtabschnitt, Römer 10, 9-17:

9Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. 10Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. 11Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« 12Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. 13Denn »wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden« (Joel 3,5).

14Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? 15Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«

16Aber nicht alle waren dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jes 53,1): »Herr, wer glaubte unserm Predigen?« 17So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.

Wenn man das ganze Kapitel 10 im Römerbrief liest, kann man feststellen, dass Paulus 12mal das Alte Testament zitiert, Worte aus 5. Mose, Jesaja, Joel und den Psalmen.

Ihre Konfirmationssprüche sind zum größten Teil dem Alten Testament entnommen, vor allem den Psalmen und von Jesaja. Einige stammen auch aus dem Johannes- oder Matthäusevangelium. Ich sage den Konfirmanden immer gern: In deinem Konfirmationsspruch ist Gott bei dir. Wenn Sie das mit Ihrem Spruch überprüfen, können Sie das sicher bestätigen. Lesen Sie ihn für sich. Psalmworte sind oft Gebete hin zu Gott. „Weise mir Herr deinen Weg…“ Wer so betet, hält sich offen für Gott. „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte…“. „… so würde auch dort deine Hand mich führen“. „Von allen Seiten umgibst du mich…“. „Wendet euch zu mir… denn ich bin Gott“. Worte aus dem Neuen Testament lassen die Stimme Jesu vernehmen: „Ich bin der Weg…“. „Selig sind, die Frieden stiften…“ „Meine Schafe hören meine Stimme…“

Im Konfirmationsspruch verdichtet sich die Heilige Schrift in einem Satz. An diesem Satz kann der Glaube immer wieder anknüpfen. Darum liegt in der Feier der Silbernen Konfirmation auch die Möglichkeit, es neu mit Gott zu wagen.

Gott ist es, der zu uns spricht. Auf seine Stimme kommt es an. Paulus weist uns darauf hin, dass Gott Menschen braucht, die sich senden lassen, die die frohe Botschaft von der Liebe Gottes verkündigen. Und dann fasst Paulus sein Nachdenken so zusammen: So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.

In Bürglein kamen Kinder aus der Grundschule am Pfarrhaus vorbei. Sie unterhielten sich angeregt. So hörte ich, wie ein Mädchen zu den anderen sagte: „Ich glaub nicht mehr an den Pelzermärtel, ich glaub nicht mehr an den Weihnachtsmann, ich glaub nicht mehr an den Osterhasen. Das machen uns die Erwachsenen nur vor.“ Nicht jedes Kind sagt das so deutlich. Aber es gibt den Punkt, wo Kinder in eine realistische Haltung finden und kritisch werden. Nicht wenige Leute sehen den christlichen Glauben auf der gleichen Ebene wie den Glauben an Weihnachtsmann und Osterhasen.

Sie sagen: Es sind ja schöne Geschichten, die da in der Bibel stehen, und wir möchten sie auch nicht missen. Aber all die vielen Wunder, die sind doch ganz unwahrscheinlich. Das sind eher Märchen für Kinder.

Und dann erst die Geschichte, dass Jesus, der am Kreuz gestorben war, plötzlich wieder lebendig geworden sein soll – nein, das kann doch ein erwachsener Mensch nicht glauben, schon gar nicht wenn er das Sterben eines lieben Angehörigen miterlebt hat.

Aber dann kommt Paulus und setzt noch eins drauf: Man soll das sogar von ganzem Herzen glauben: "Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet."

- Halten wir fest: Natürlich verlangt niemand von uns, dass wir wieder an den Weihnachtsmann glauben sollen. Ebenso wenig brauchen wir uns vorzustellen, dass Gott heute die Natur nach bestimmten Gesetzen regiert, die er dann morgen ganz willkürlich über den Haufen wirft.

- Aber hat er nicht genau das getan, als er Jesus auferweckte?

Das könnte man denken. Doch es fällt auf, dass nirgends im Neuen Testament der Vorgang der Auferstehung beschrieben wird. Paulus selbst sagt darüber nur, dass der Auferstandene den Jüngern und ihm selbst erschienen sei. Nichts Näheres. Gemeint ist wohl: Ihm ist ein Licht aufgegangen, dass Jesus von Gott aufgenommen ist. Gott hat sein Lebenswerk bestätigt, er steht zu ihm. Und das bleibt nicht ohne Wirkung. Der auferstandene Christus ist geistig mitten unter uns. Durch ihn haben wir Zugang zu Gott. Sehen können wir Gott nicht, das stimmt. Aber an Jesus, der in der Geschichte wirklich gelebt hat, können wir erkennen, dass Gott uns freundlich zugewandt ist.

- Das ist mehr als bloß an ihn zu denken, mehr auch als ein Gefühl.

Christus schließt uns die Tür zu Gott auf. Christus bewegt uns dazu, uns fest auf diesen barmherzigen Gott zu verlassen, uns ihm restlos anzuvertrauen. Solch restloses Anvertrauen erlebe ich in unserer Gemeinde. Da hat jemand den Tod eines lieben Menschen vor Augen und kann dennoch sagen: Meine und seine Zeit liegt in Gottes Händen. Auch wenn Gott uns nicht immer unsere Wünsche erfüllt: Er macht uns reich auf seine Weise, indem er uns Lebensmut und Lebenskraft schenkt. Sich so beschenken zu lassen, das ist Glauben.

Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet, schreibt Paulus.

Heute ist Jesus für viele Menschen so weit in die Vergangenheit entrückt, dass er mit unserer modernen Welt scheinbar gar nichts mehr zu tun hat. Wir haben uns schon fast daran gewöhnt, dass immer weniger Menschen unsere Glaubensüberzeugung teilen. Ist die Zeit des Christentums vorbei?

Befinden wir uns auf einem sinkenden Schiff? Da möchte ich entschieden sagen „Nein!“ Zur Panik besteht kein Anlass.

Einmal ist es so, dass in anderen Teilen der Welt die Zahl der Christen wächst, zum Teil sogar rasant.

Zweitens hängt Gottes Wahrheit nicht an der Zahl der Menschen, die sie glauben. Wenn ich es als Wahrheit erkannt habe, dass Gott die Liebe ist und er mich und alle Menschen zur Liebe fähig machen will, dann gilt für mich diese Wahrheit unabhängig davon, wie viele ihr zustimmen.

Ja, man kann fragen, ob es denn überhaupt eine Zeit in der Geschichte gegeben hat, die man als durch und durch christlich bezeichnen kann. Gewiss gab es Zeiten, in denen die ganze Bevölkerung eines Landes zur Kirche gehört hat. Aber wir wissen nicht, wie viel davon auch nur oberflächliche Konvention war.

Auf alle Fälle ergreift Gott durch Jesus auch heute die Herzen von Menschen, so dass sie „von Herzen glauben“, wie Paulus das genannt hat. Wir sind heute da und feiern Gottesdienst, weil wir immer wieder mit diesem Wunder rechnen, dass im Hören auf das Wort Gottes das Licht des Glaubens in uns entzündet wird. Natürlich haben wir auch unsere Fragen. Das ist normal. Doch Gott ist uns nahe, selbst wenn wir meinen, er sei weit weg und vielleicht überhaupt nicht mehr da. Er schenkt neue Gewissheit, auch wenn es manchmal eine ganze Weile dauert. Silberne Konfirmation ist eine Gelegenheit, innezuhalten und sich zu erinnern. Erinnern auch in dem Sinn, dass sich Gott selbst in meinem Innern meldet, mich anspricht, berührt, bewegt. Und dann geschieht, was Paulus schreibt: Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.